1. März 2023
Die Baubranche verbraucht so viel Ressourcen und produziert so viel Abfall wie kein anderer Industriesektor. Klimawandel, Materialenpässe und Ressourcenknappheit verstärken zusätzlich den Druck, einen Paradigmenwechsel einzuleiten: weg von der linearen, hin zur Circular Economy. Denn die Kreislaufwirtschaft zielt darauf ab, so zu planen und zu bauen, dass möglichst wenig Müll entsteht und Materialien nicht einfach entsorgt, sondern wieder verwendet werden. Wie das funktionieren kann und welche alternativen Baustoffe es gibt, zeigt die BAU 2023 vom 17. bis 22. April in München.
Aus Rohstoffen, die der Natur abgerungen werden, entstehen neue Gebäude, die nach ihrer Nutzung wieder abgerissen und entsorgt werden: Diese über Jahrhunderte hinweg gängie Praxis kann sich die Bauwirtschaft nicht mehr leisten. Denn die Branche ist für 40 Prozent der CO2-Emissionen und über ein Drittel des Müllaufkommens in Europa verantwortlich. In Deutschland machen die „Bau- und Abbruchabfälle“ mehr als die Hälfte des gesamten Mülls aus. Zirkuläres Bauen, die Mehrfachnutzung und Wiederverwertung von Bauteilen und -Materialien in einem möglichst geschlossenen Kreislauf, gilt deshalb als Gebot der Stunde. Dahinter steht das aus der Natur entlehnte Prinzip Cradle-to-Cradle (von der Wiege zur Wiege), nach dem Produkte und Rohstoffe in theoretisch unendlichen Kreisläufen zirkulieren und dabei keine Abfallprodukte bilden.
Die Idee ist mittlerweile auch bei der Industrie und beim Fachhandel angekommen. Auf der BAU 2023 bieten Aussteller unter dem Label „ReUsed“ wiederverwertbare Produkte an, ebenso wie die Rücknahme gebrauchter Produkte. Diese werden dann aufbereitet, als gebraucht deklariert und wiederverkauft. Ressourcen sparen auch Handelsorganisationen, in denen sich regional und lokal tätige Baufachhändler zusammenschließen, um Produkte in großen Mengen und zu günstigen Konditionen zu beschaffen. Dabei richtet sich der Einkauf nach dem tatsächlichen Bedarf und berücksichtigt gezielt standortnahe Hersteller.
Der Nachweis der Nachhaltigkeit von Produkten und Baustoffen wird auch bei Ausschreibungen immer öfter verlangt. Allerdings tun sich Hersteller im Dickicht der Normen und Regularien oft schwer damit. Die Grundlage liefern Environmental Product Declarations, auf deutsch Umweltprodukt-Deklarationen (EPDs), die beispielsweise vom Institut für Bauen und Umwelt (IBU) vergeben werden. Sie enthalten Informationen über die Umweltauswirkungen von Baustoffen, Bauprodukten und Baukomponenten. Relativ neu sind Produkt- oder Materialdatenbanken, in denen kreislauffähige Produkte gelistet sind. Hersteller können dort ihre Prdodukte hochladen und bei Bedarf auch gleich bewerten lassen. Die Produktinformationen fließen wiederum in die Nachhaltigkeitsbewertungen ganzer Bauwerke ein, die verschiedene Organisationen (DGNB, BNB, BREEAM und LEED) vornehmen und dafür Zertifizierungen vergeben. Mehr Informationen dazu gibt es auf der BAU.
Für den urbanen Raum, dem bereits verbaute Materialien wieder entnommen werden könnten, um sie der Wiederverwertung zuzuführen, steht der Begriff „Urban Mining“. Das Potenzial an Sekundärrohstoffen ist groß. Laut Bundesumweltamt liefert ein Altbau mit zehn Wohneinheiten durchschnittlich 1.500 Tonnen Material zur Wiederverwertung. Nach einer 2010 veröffentlichten Zahl soll sich das Material, das in bestehenden Gebäuden und Infrastrukturen steckt, auf 28 Milliarden Tonnen summieren. Was wo verbaut ist, soll künftig in Materialpässen dokumentiert werden.
Zwar werden über 90 Prozent der Baustoffe, die durch die Aufbereitung mineralischer Bau- und Abbruchabfälle entstehen, wiederverwertet; aber nur 20 Prozent davon kommen der Asphalt- und Betonherstellung zugute. Der Großteil landet als Rezyklat im Straßen- und Erdbau, nicht im Hochbau, für den qualitativ hochwertige Rohstoffe benötigt werden. Ein weiteres Problem: Das Recyclingpotenzial klassischer Baustoffe wie Beton, Metall, Glas, Ziegel, Kunststoff oder Gips ist für viele Einsatzbereiche noch nicht ausreichend erforscht. Eines von vielen Problemen ist die sortenreine Trennung der häufig verklebten oder verschraubten Materialien und Bauprodukte. Sie ist unabdingbare Voraussetzung für die Rückführung in technische oder biologische Kreisläufe und muss deshalb bereits bei der Planung mitgedacht werden.
Unter den nachwachsenden Rohstoffen hat sich bisher lediglich Holz als Baustoff etabliert. Jedes vierte Ein- und Zweifamilienhaus in Deutschland wird in Holzbauweise errichtet. Sogar Hochhäuser, wie aktuell das „Roots“ im Hamburger Hafen, entstehen aus Holz. Anders sieht es mit Flachs, Bambus, Lehm, Hanf oder Stroh aus: diese Materialien gelten zwar als Baustoffe der Zukunft, sind aber noch nicht soweit, um eine tragende Rolle in der Architektur einzunehmen und konventionelle Baumaterialien zu ersetzen. Wo es auf Zug- und Druckfestigkeit ankommt, werden zumindest in naher Zukunft noch Beton und Stahl dominieren.
Die BAU zeigt quer durch alle Ausstellungsbereiche die neuesten Entwicklungen im Bereich nachhaltiger und recycelbarer Baustoffe. Auch im Vortragsprogramm (Forum C2 und Communication Area B0) stehen die Themen Kreislaufwirtschaft und Urban Mining auf der Agenda. Darüber hinaus stehen die Sonderschau und das Vortragsprogramm der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) unter dem Motto „Bauen 2030 – nachhaltig, klimapositiv und zirkulär“. Die Fraunhofer-Allianz BAU bietet auf ihrer Sonderschau mit dem Vortragsprogramm Einblicke in Innovationen und Lösungen auf dem Weg zu Klimaneutralität und Kreislaufwirtschaft. Das ift Rosenheim präsentiert auf seiner Sonderschau Bauelemente, die durch den Ansatz „Cradle to Cradle“, Multifunktionalität und entsprechende Wartungs- und Entsorgungskonzepte zur Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung beitragen. Auch die Musterimmobilie der GGT, die die DNA des Bauens der Zukunft beleuchtet, hat das Thema Nachhaltigkeit im Fokus.