EN

Bauen von morgen – Thesen, Forderungen und Maßnahmen

Das Bauen der Zukunft muss sich grundlegend ändern, um ein Leben innerhalb der planetarischen Grenzen zu ermöglichen. Der bisherige Fokus auf Effizienzsteigerung und technische Innovationen greift zu kurz, wie Monitoring-Daten und Rebound-Effekte von Einsparungen zeigen. Da der Bausektor rund 40 % der weltweiten CO2-Emissionen und über 90 % der Entnahme nicht erneuerbarer Rohstoffe verursacht, ist ein Umdenken erforderlich.

© „Bauen von morgen“, Bundesinstitutes für Bau-, Stadt- und Raumforschung BBSR

Hier setzt das Format „Bauen von morgen“ des Bundesinstitutes für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) an. In vier Zukunftswerkstätten an verschiedenen deutschen Hochschulen wurden Themen wie Resilienz, Suffizienz, Material- und Stoffkreisläufe, Partizipation im Planungsprozess sowie die Transformation des Bestands diskutiert. Dabei wurden Potenziale, Herausforderungen und Hemmnisse für die Umsetzung analysiert, einschließlich der kritischen Auseinandersetzung mit Gesetzen und Normen sowie der Frage der Verantwortung.

Auf Grundlage dieser Zukunftswerkstätten entstand ein Thesenpapier mit insgesamt 20 Thesen sowie zugehörigen Forderungen und Maßnahmen. Wie also sieht das Bauen von morgen am Wendepunkt aus? Was bringt ein Paradigmenwechsel von der Effizienzsteigerung in allen Bereichen hin zu Suffizienz und ganzheitlichen systemischen Betrachtungen?

Vier der insgesamt zwanzig Thesen werden hier exemplarisch vorgestellt:

  • Zukunftswerkstatt 1: Resilienz, Suffizienz & Komfort
  • Zukunftswerkstatt 2: Material & Stoffkreisläufe
  • Zukunftswerkstatt 3: Partizipation im Planungs- & Gestaltungsprozess
  • Zukunftswerkstatt 4: Transformation des Bestands

Die vollständigen Thesen sowie weitere Informationen zum Forschungsprojekt finden Sie auf www.zukunftbau.de.

Zukunftswerkstatt 1: Resilienz, Suffizienz & Komfort

„Das Bauen von morgen bedeutet klimagerechtes Bauen statt baugerechtes Klimatisieren“

Das Bauen von morgen muss durch robuste, funktionale und konstruktive Maßnahmen ein stabiles Raumklima ohne übermäßige Technik gewährleisten. Low-Tech-Konzepte bieten eine Alternative zu immer komplexerer, wartungsintensiver und störanfälliger Technik und ermöglichen einen effizienteren Umgang mit Ressourcen. Die Rückbesinnung auf klimafreundliche und an die Umgebung angepasste Bauweisen ist dabei zentral. Low Tech bedeutet nicht die Ablehnung technischer Systeme, sondern einen ausreichenden und angemessenen Einsatz, der die Ökobilanz in der Bau- und Betriebsphase verbessert. Dies kann einerseits durch dynamische Planungswerkzeuge erreicht werden, die fundierte Entscheidungen ermöglichen und Planungsprozesse vereinfachen. Aber auch durch eine Entkoppelung der Honorarordnung von den Investitionssummen in der TGA, eine Anpassung der Bewertungen in Zertifizierungssystemen zugunsten von Lowtech sowie neue Indikatoren bzw. maximal zulässige Werte für Treibhausgaspotenzial / Energieverbrauch pro Nutzer.

Bauen von morgen
© „Bauen von morgen“, Bundesinstitutes für Bau-, Stadt- und Raumforschung BBSR
„Bauen von morgen“, Bundesinstitutes für Bau-, Stadt- und Raumforschung BBSR
Bauen von morgen
© „Bauen von morgen“, Bundesinstitutes für Bau-, Stadt- und Raumforschung BBSR
„Bauen von morgen“, Bundesinstitutes für Bau-, Stadt- und Raumforschung BBSR

Zukunftswerkstatt 2: Material & Stoffkreisläufe

„Stoffkreisläufe beginnen beim Bauen von morgen mit integralen Planungsprozessen“

Konstruktion, Tragwerk und Technikintegration sind zentrale Aspekte des kreislauffähigen Bauens und erfordern eine enge Verzahnung im Planungsprozess. Diese Bereiche beeinflussen sich gegenseitig und können sich auch widersprechen, weshalb iterative Prozesse im interdisziplinären Team unerlässlich sind. Zu einem integralen Planungsprozess gehört eine gründliche Grundlagenermittlung, insbesondere hinsichtlich der Verfügbarkeit von Primär- und Sekundärbaustoffen und der Abwägung zwischen Abriss und Erhalt. Präzise Auslobungskriterien und eine klare Zielsetzung im Wettbewerb sind für nachhaltige Projekte unerlässlich. Ebenso ist die Auswahl der Planungsteams durch Präqualifikation oder Werkstattverfahren entscheidend für den Erfolg. Eine integrale Planungskultur setzt auf Zusammenarbeit auf Augenhöhe und sollte fester Bestandteil der Ausbildung aller beteiligten Disziplinen und Gewerke sein. Dies beginnt bei der Bereitstellung präziser und überprüfbarer entwurfsrelevanter Daten für Wettbewerbsauslobungen und endet bei der gegenseitigen Übernahme von Verantwortung statt singulärer „Bringschuld“ einzelner Disziplinen.

Zukunftswerkstatt 3: Partizipation im Planungs- & Gestaltungsprozess

„Das Bauen von Morgen entwickelt in Experimentierräumen die Standards der Zukunft“

Um Innovationen im Bausektor zu fördern, müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, die die Umsetzung von Forschungsergebnissen in die Praxis erleichtern und beschleunigen. Es reicht nicht aus, Leuchtturmprojekte zu fördern - Innovationen müssen in den alltäglichen Bauprozessen gefördert und verstetigt werden. Reallabore, in denen neue Erkenntnisse 1:1 umgesetzt und evaluiert werden können, sind hierfür ein probates Mittel. Konkrete Maßnahmen sind der verstärkte Einsatz von biobasierten und recycelten Baustoffen sowie die Entwicklung neuer Prozess- und Akteursmodelle für nachhaltige Bauprozesse. Dazu bedarf es der notwendigen methodischen und rechtlichen Rahmenbedingungen für innovative und experimentelle Ansätze in Ausschreibungen und Förderprogrammen, aber auch der Vereinfachung von Genehmigungs- und Gewährleistungsprozessen.

Bauen von morgen
© „Bauen von morgen“, Bundesinstitutes für Bau-, Stadt- und Raumforschung BBSR
„Bauen von morgen“, Bundesinstitutes für Bau-, Stadt- und Raumforschung BBSR
Bauen von morgen
© „Bauen von morgen“, Bundesinstitutes für Bau-, Stadt- und Raumforschung BBSR
„Bauen von morgen“, Bundesinstitutes für Bau-, Stadt- und Raumforschung BBSR

Zukunftswerkstatt 4: Transformation des Bestands

“Das Bauen von Morgen heißt Bauen im Bestand”

Bestandserhaltung muss als zentrale Bauaufgabe etabliert werden, um CO2-Emissionen zu reduzieren und Ressourcenverluste durch Abriss und Neubau zu vermeiden. Ein Paradigmenwechsel hin zu einer Begründungskultur für Abriss und einer stärkeren Förderung der Bestandserhaltung ist notwendig, um den Bausektor nachhaltig zu transformieren. Anreize wie eine realistische Bepreisung des Energie- und Ressourcenverbrauchs könnten den Neubau gegenüber dem Bauen im Bestand unattraktiv machen. Dazu sind perspektivisch Genehmigungsmoratorien ebenso denkbar wie die Reduzierung von Förderprogrammen für den Neubau.