Einfacher Bauen: Was Bayern, Hamburg und Bremen anders machen
Steigende Kosten, dichte Regulierungen und ambitionierte Klimaziele machen den Wohnungsbau zu einer der größten Herausforderungen unserer Zeit. Politik, Bauwirtschaft und Planende suchen deshalb nach Wegen, schneller, günstiger und zugleich nachhaltiger zu bauen.
Initiativen aus Bayern, Hamburg und Bremen zeigen, dass das möglich ist – mit dem „Gebäudetyp E“, dem „Hamburg Standard“ und dem „Bremer Weg“. Trotz unterschiedlicher Herangehensweisen verfolgen sie ein gemeinsames Ziel: den Wohnungsbau zu vereinfachen – durch gezielte Reduktion von übermäßigen Standards, Vorgaben oder Prozessen. Diese Programme stehen beispielhaft für eine wachsende Bewegung hin zu mehr Pragmatismus im Bauwesen. Auch in anderen Bundesländern entstehen ähnliche Ansätze – ohne Anspruch auf Vollständigkeit, aber mit klarer Zielrichtung.
Drei Strategien, ein gemeinsames Ziel – der Gebäudetyp E, Hamburg Standard und Bremer Weg im Überblick
Drei Bundesländer, drei unterschiedliche Ansätze: Die verschiedenen Programme zeigen, wie innovativ, praxisnah oder politisch ambitioniert mit den Herausforderungen im Wohnungsbau umgegangen wird – jeweils mit eigenem Schwerpunkt, aber mit dem gemeinsamen Ziel: besser, schneller und bezahlbarer bauen.
Der Gebäudetyp E – mehr Freiheit für Planende
Der „Gebäudetyp E” wurde von der Bayerischen Architektenkammer entwickelt. Er zielt darauf ab, das Bauen für fachkundige Akteure wieder freier und verantwortungsvoller zu gestalten. „E” steht für „Einfach”. Es gibt weniger Normen, reduzierte Komfortstandards und mehr architektonischen Spielraum. Im Mittelpunkt steht nicht der Verzicht um des Verzichts willen, sondern das Vertrauen in die Kompetenz der Planenden. Seit Dezember 2023 ist der Gebäudetyp E rechtlich in der Bayerischen Bauordnung (BayBO) verankert. Ein zentraler Bestandteil ist die Änderung von Artikel 63, welche experimentelles und ressourcenschonendes Bauen erleichtert. Diese Regelung wurde von der Bauministerkonferenz als beispielgebend anerkannt und in die Musterbauordnung (MBO) übernommen. Ob und wie die konkreten Inhalte des Gebäudetyps E jedoch bundesweit übertragen werden, ist weiterhin Gegenstand fachlicher und politischer Diskussionen. Die wissenschaftliche Begleitung der Pilotprojekte erfolgt durch die Innovationsgesellschaft Technische Universität Braunschweig mbH (iTUBS).
Der Hamburg Standard – 65 Maßnahmen für bezahlbares Bauen
Der „Hamburg Standard” ist hingegen ein praxisnahes Instrument, das aus der Zusammenarbeit zwischen Senat, Immobilienwirtschaft und Planungspraxis entstanden ist. Ziel ist es, die Kosten im geförderten Wohnungsbau signifikant zu senken – laut Studien sind bis zu 30 Prozent Einsparung möglich. Es ist ein Katalog mit 65 konkreten Maßnahmen und 20 weiteren Empfehlungen zur Kostenreduktion entstanden, darunter konkrete Vorschläge für Energiekennwerte, Materialien, Prozesse und Genehmigungen. Im Pilotgebiet Wilhelmsburg wurden erste Quartiere unter diesen Vorgaben realisiert. Das Programm wird von einem Konsortium aus Behörden, Architekturbüros und Wohnungsunternehmen begleitet. Anders als in Bayern wurde hier nicht die Bauordnung geändert, sondern es wurde ein Rahmenwerk für die Praxis geschaffen, das sowohl auf technischer als auch auf prozessualer Ebene ansetzt.
Der Bremer Weg – sozial gerecht und effizient bauen
Der „Bremer Weg” ist wiederum ein politisch und sozial motiviertes Modell. Der Senat möchte damit nicht nur die Kosten senken, sondern auch die Planungssicherheit und Chancengleichheit fördern. Acht Maßnahmenpakete sollen den Wohnungsbau schneller, einfacher und gerechter machen. Neben technischen Erleichterungen geht es auch um administrative Vereinfachung, flexible Standards, beispielsweise im Schallschutz, sowie um eine klare Priorisierung sozialer Ziele im Wohnbau. Dabei orientiert sich Bremen teilweise am Hamburger Vorbild, setzt aber auch eigene politische Akzente. Die Umsetzung wird durch eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe aus Verwaltung, Wohnungswirtschaft und Forschung begleitet.
Vorwärts durch Reduktion
Was alle drei Initiativen verbindet, ist die Erkenntnis, dass Komplexität nicht automatisch Qualität bedeutet. Im Gegenteil: Im Laufe der Jahre haben sich viele Vorschriften so überlagert, dass sie Innovation und Wirtschaftlichkeit behindern. Der Mut zur Vereinfachung wird hier zum Qualitätsmerkmal: durch klare Schutzziele, robuste Konstruktionen und gestalterische Integrität. Dabei geht es nicht um ein „Zurück” zu früheren Standards, sondern um ein bewusstes „Vorwärts durch Reduktion”. In der Praxis eröffnen sich dadurch neue Spielräume für Architekturbüros, Wohnungsunternehmen und Genossenschaften. Ob durch Gesetzesänderungen wie in Bayern, durch wirtschaftsnahe Standards wie in Hamburg oder durch politische Programme wie in Bremen: Das Bauen wird wieder zum gestaltbaren Prozess statt zur bloßen Umsetzung eines Normkorsetts.
Passend zum Thema gab es auf der BAU 2025 zwei spannende Vorträge im Rahmen des BDA Bauwende Forschung Praxis-Talks – Schauen Sie rein!
Vorträge zum Thema „Einfach Bauen“ auf der BAU 2025
“Nachwachsende Baustoffe als Inkubatoren des einfachen Bauens | BDA – Bauwende Forschung Praxis”
Sprecher: Prof. Elisabeth Endres, TU Braunschweig / IB Hausladen
Vortragsbeschreibung: Implementierung von Lehmwänden zur Umstellung der Raumkonditionierung auf Niedertemperaturheizung sowie zur Speicherung von Stromspitzen in Kombination mit Wärmepumpentechnik im Kontext LowTech.
“Einfach Um-Bauen | BDA – Bauwende Forschung Praxis”
Sprecher: Dr.-Ing. Architekt Tilmann Jarmer, Technische Universität München
Vortragsbeschreibung: Ist die Vollsanierung des Wohnungsbestandes auf Neubauniveau alternativlos? Sind einfachere Strategien effektiver, kostengünstiger und könnten eine Beschleunigung der energetischen Bestandssanierung befördern?