Interview mit Simone Alexia Saiegh, Seniorexpertin Innovation & Transformation, Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena)
Simone Alexia Saiegh: Wir wollen, dass das Sanieren von Bestandsgebäuden durch optimierte Prozesse und möglichst wenige Schnittstellen zu einer einfach und schnell umzusetzenden Maßnahme wird, die maßgeblich zur Erreichung der Klimaschutzziele beiträgt und deren Qualitätssicherung vor allem durch die Vorfertigung erleichtert und nachhaltig gesichert wird. Hierbei bietet das Energiesprong-Konzept gleich mehrere Vorteile gegenüber herkömmlichen Sanierungsmaßnahmen.
Durch die Vorfertigung von Fassaden-, Dach- und Haustechnikmodulen in Fabriken und deren schnelle Montage vor Ort kann die Sanierungszeit erheblich verkürzt werden. Dies reduziert die Belastung für die Bewohner und ermöglicht eine schnellere Umsetzung der Projekte. Durch die Vorfertigung wird ein großer Teil der Wertschöpfung von der Baustelle in die Fabrik verlagert, was einerseits eine witterungsunabhängige Produktion und damit eine gleichbleibende Qualität ermöglicht. Gleichzeitig reagiert der Vorfertigungsgedanke auf den bestehenden Fachkräftemangel und schafft zusätzliche Ressourcen. Die so standardisierten und digitalisierten Prozesse sowie die Skaleneffekte der Vorfertigung ermöglichen eine Senkung der Sanierungskosten. Dies macht energetische Sanierungen wirtschaftlicher und erschwinglicher und führt dazu, dass Sanierungen für Mieter und Eigentümer bezahlbar bleiben. Im Hinblick auf Energieeffizienz und Klimaschutz zielen Energiesprong-Sanierungen darauf ab, Gebäude idealerweise auf einen NetZero-Standard zu bringen, bei dem sie im Jahresdurchschnitt so viel erneuerbare Energie erzeugen, wie sie verbrauchen. Dies führt zu einer deutlichen Reduktion des Energieverbrauchs und der Energiekosten.
Simone Alexia Saiegh: Wie bei allen neuen Konzepten gibt es eine Reihe von Herausforderungen bei der Skalierung. Auch wenn die Kosten im Vergleich zu den ersten Piloten schon gesunken sind, liegen sie noch über denen einer konventionellen Sanierung der Gebäudehülle mit einer WDVS-Fassade. Dieser Unterschied wird derzeit mit einem Bonus in der BEG-Förderung ausgeglichen, so dass die Umsetzung trotzdem schon wirtschaftlich ist. Hier steckt aber noch weiteres Kostensenkungspotenzial drin, das mit zunehmender Standardisierung, Digitalisierung & Skalierung gehoben werden kann. Mit dem Netto-Nullenergie-Ansatz erfahren Bestandsgebäude eine deutliche Aufwertung, von der Bauherren, Mieter und nicht zuletzt die Umwelt profitieren. Zudem erschweren regulatorische Hürden durch unterschiedliche Bauvorschriften und Genehmigungsverfahren in den einzelnen Ländern und Regionen sowie die Anpassung an unterschiedliche Gebäudetypen und lokale Gegebenheiten eine schnelle Skalierbarkeit.
Wo wir heute schon Erfolge sehen, ist die Akzeptanz und das Bewusstsein für die Vorteile der seriellen Sanierung bei Eigentümern und Mietern. Daher arbeiten wir als Marktentwicklungsteam daran, das Konzept weiter zu verbreiten und die verschiedenen Marktakteure zusammenzubringen. Viele erfolgreich umgesetzte Projekte und auch die Erkenntnisse aus den Pilotprojekten, wie z.B. die Verkürzung der Montagezeit von 40 auf 4 Tage oder der Einsatz von detaillierten 3D-Scans für die Bestandsaufnahme, zeigen, dass das Konzept funktioniert. Um das Energiesprong-Konzept weiter auszubauen, sind mehrere Entwicklungen notwendig, u.a. in der Skalierung und Standardisierung, bei den technologischen Innovationen, den Finanzierungsmodellen und in den regulatorischen Anpassungen.
Simone Alexia Saiegh: Als dena- Kompetenzzentrum Serielles Sanieren koordinieren wir die internationale Energiesprong-Initiative in Deutschland. Im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz setzen wir uns gemeinsam mit unseren Partnern für eine beschleunigte Marktentwicklung serieller Sanierungslösungen ein. Bauunternehmen und Baubeteiligte bringen in der Regel bereits eine Idee mit, welche Leistungen sie zukünftig anbieten können und wollen oder haben bereits erste kleinere Projekte umgesetzt. Wir stellen unsere Anbieterplattform für die Sichtbarkeit zur Verfügung und laden die Unternehmen zu einer der nächsten anstehenden Veranstaltungen ein, mit dem Ziel, dort mit uns und anderen Marktteilnehmern in den persönlichen Austausch zu treten. Das Vernetzungsangebot ist ein wichtiger Teil des Energiesprong-Konzepts, denn nur durch Austausch und Zusammenarbeit entstehen die notwendigen Innovationen. Darüber hinaus unterstützen wir die Wohnungsunternehmen sowohl bei der Bestandsbewertung mit Hilfe einer Portfolioanalyse, bei der konkreten Projektauswahl und den ersten Schritten wie Fördermittelberatung und Wirtschaftlichkeitsbetrachtung als auch bei der Suche nach einem geeigneten Umsetzer.
Energiesprong ist ein innovativer Ansatz zur energetischen Gebäudesanierung. Das Konzept stammt aus den Niederlanden, bedeutet „Energiesprung“ und zielt darauf ab, Gebäude schnell und effizient auf NetZero-Standard zu sanieren. Die Idee der seriellen Sanierung ist es, durch den Einsatz vorgefertigter Elemente für Fassaden, Dächer und Energietechnik Sanierungsprozesse deutlich zu beschleunigen und durch Skaleneffekte und Standardisierung langfristig Kostenvorteile zu erzielen. In Deutschland gewinnt die Serielle Sanierung nach dem Energiesprong-Prinzip zunehmend an Bedeutung, insbesondere bei der Sanierung von Wohngebäuden, aber auch bei öffentlichen Gebäuden wie z.B. Schulen, Büro- und Verwaltungsbauten.
Simone Alexia Saiegh betreut bestehende Stakeholder und ist Ansprechpartner für die Neuakquise von Bauunternehmen, Architekten und Ingenieuren. Sie organisiert die Energiesprong-Veranstaltungen & Networking-Events. Sie profitiert von langjähriger Erfahrung aus der Bau- und Veranstaltungsbranche.