Die Bauwirtschaft steht vor großen Herausforderungen: steigender Ressourcenverbrauch, wachsende Mengen an Bau- und Abbruchabfällen sowie der Druck, die CO₂-Emissionen drastisch zu senken. Gleichzeitig eröffnen technologische Fortschritte und ökologische Anforderungen neue Möglichkeiten, nachhaltigere und effizientere Bauweisen zu entwickeln.
Eine Vielzahl innovativer Forschungsprojekte widmet sich diesen Themen.
Zeit für einen Blick hinter die Kulissen...
Forscher der Universität Stuttgart haben eine Methode entwickelt, um Beton CO2-neutral herzustellen. Durch mikrobiell induzierte Calcitfällung entsteht Calciumcarbonat als Bindemittel, das keine prozessbedingten CO2-Emissionen verursacht. Die Ergebnisse des Forschungsvorhabens zeigen, dass Biobeton eine vielversprechende Alternative zu herkömmlichem Beton darstellt.
Die Bauwirtschaft sieht sich mit Fachkräftemangel, steigendem Neubaubedarf und geringen Produktivitätssteigerungen konfrontiert. Das Forschungsprojekt „Additive Manufacturing of Reinforced Concrete“ (AMoRC) untersucht den 3D-Druck von Stahlbeton als innovativen Lösungsansatz. Durch die Entwicklung eines speziellen Druckkopfes und einer Schweißvorrichtung konnten erste funktionsfähige Stahlbetonbauteile additiv gefertigt werden. Die Ergebnisse zeigen ein großes Potenzial, bedürfen aber weiterer Forschung, um die Technologie zur Praxisreife zu bringen.
Das Forschungsprojekt “ROBETON” der RWTH Aachen entwickelt einen digital gesteuerten Abbruchroboter, der Betonbauteile präzise und effizient zurückbaut, um sie wiederzuverwenden. Auf Basis einer bewährten Abbruchmaschine entsteht ein neuer, teilautomatisierter Prozess, der digitale Bauplanung und intelligente Steuerung integriert. Erste Prototypen zeigen einen beschleunigten Rückbauprozess, eine geringere Belastung des Baustellenpersonals und eine geringere Umweltbelastung. Die flexible Ausstattung des Roboters ermöglicht neben der Wiederverwendung von Beton vielfältige Anwendungen und fördert die Akzeptanz der Automatisierung in der Bauwirtschaft.
Das Forschungsprojekt “Abbau Aufbau” der Universität der Künste Berlin erforscht eine nachhaltige Bauweise, bei der Stahlbetonbauteile aus Abbruchgebäuden schonend entnommen und in Neubauten wiederverwendet werden. Der Fokus liegt auf Ortbetonbau, dessen Bauteile durch präzise Betonsägeverfahren wieder nutzbar gemacht werden können. Neben ökologischen Vorteilen wurden ein digitales Planungstool und ein Leitfaden für die praktische Umsetzung entwickelt. Ein Reallabor zur Erprobung dieser Methode in einem Versuchsgebäude ist in Vorbereitung.
Das IAB Weimar untersucht die Verwendung von recyceltem Ziegelmehl und Steinfüllern als nachhaltige Alternativen zu Zement. Erste Ergebnisse zeigen, dass Ziegelmehl durch Aktivierung und präzise Trennung aus Bauschutt als Zementersatz genutzt werden kann, um CO₂-Emissionen und Ressourcenverbrauch im Bauwesen zu verringern. Die erfolgreiche Abtrennung von Ziegelpartikeln mittels Magnetscheidung und die experimentelle Steigerung der Reaktivität unterstreichen das Potenzial dieser Materialien. Für eine langfristige und energieeffiziente Anwendung sind jedoch weitere Forschungsarbeiten zur Optimierung der Prozesse notwendig.
Das Forschungsprojekt rethinking wood der Universität Kassel entwickelt ein nachhaltiges Verfahren, um Altholz als Ressource in der Bauwirtschaft zu nutzen. Holzpartikel werden mit biogenen Bindemitteln und digitalen Fertigungstechniken zu kreislauffähigen Bauteilen mit hohen Krümmungsgraden geformt. Diese innovativen Elemente können als Dämm- und Akustiklösungen oder im Innenausbau und Möbelbau eingesetzt werden. Durch die Wiederverwendbarkeit der Materialien und den Verzicht auf neue Maschinen entsteht ein ökologischer und ökonomischer Vorteil, der einen geschlossenen Materialkreislauf ermöglicht.
Das Forschungsprojekt erforscht die Nutzung schnell wachsender Pflanzen wie Miscanthus x giganteus und Paulownia als nachhaltige Baustoffe für tragende Konstruktionen. Miscanthus, bekannt für seinen hohen Trockenmasseertrag und seine CO₂-Speicherung während des Wachstums, wurde erfolgreich zu stabförmigen Tragelementen verarbeitet, die in ihrer Biegefestigkeit Bauholz entsprechen. Erste Ansätze zu materialgerechten Verbindungen und Konstruktionsweisen eröffnen neue Möglichkeiten für die Integration nachwachsender Rohstoffe in den Bausektor und tragen zur CO₂-Reduktion bei.
Das Forschungsprojekt „Nachhaltig und zuverlässig Bauen mit Lehm“ untersucht die Tragfähigkeit von Lehmmauerwerk unter Berücksichtigung von Materialfeuchte und entwickelt ein semiprobabilistisches Sicherheitskonzept für dessen Bemessung. Durch experimentelle Analysen und Modellierungen wurde ein Tragfähigkeitsmodell erstellt, das den Feuchteeinfluss auf die Festigkeits- und Verformungseigenschaften von Lehmbaustoffen integriert. Die Ergebnisse zeigen, dass tragendes Lehmmauerwerk nach den neuen normativen Regelungen sicher bemessen werden kann, während die Forschung maßgeblich zur Weiterentwicklung relevanter DIN-Normen beigetragen hat.
Das Forschungsprojekt “Lehmtafelbauweise” der Bauhaus-Universität Weimar entwickelt vorgefertigte lasttragende Massivlehmwände, die nachhaltiges und effizientes Bauen ermöglichen. Durch die Kombination aus Tragschicht und Dämmschicht wird eine hohe Tragfähigkeit, gute Dämmwerte und Ressourcenschonung erreicht. Leichtzuschläge wie Korkgranulat und Flachsgewebe verbessern die Materialeigenschaften, während innovative Verbindungen und Oberflächenbehandlungen den Einsatz in verschiedenen Bauprojekten erleichtern. Die Fertigteile erfüllen zudem moderne Anforderungen an Brandschutz und Wärmeschutz, wodurch Lehm als ökologischer Baustoff neu positioniert wird.
Das Forschungsprojekt “upMIN 100” der Technischen Universität Berlin untersucht den Einsatz von recycelten Bau- und Abbruchabfällen zur Herstellung von Lehmbaustoffen. Dabei wird untersucht, ob die bisher deponierten Feinfraktionen (< 2 mm) natürliche Gesteinskörnungen und Bindemittel vollständig ersetzen können. Dabei stehen die technische Machbarkeit, die Schadstofffreiheit und die ökologischen Auswirkungen im Vordergrund. Die Ergebnisse sind bereits in bestehende DIN-Normen eingeflossen und eröffnen durch eine verbesserte Recyclingquote und den Verzicht auf Primärrohstoffe neue Möglichkeiten für nachhaltiges Bauen.
Das Forschungsprojekt entwickelt gipsgebundene Bauplatten unter Verwendung von Porenbeton-Brechsand, um ressourceneffiziente und hochwertige Alternativen zu gängigen Gipsbaustoffen zu schaffen. Durch systematische Laborentwicklungen und Rezepturoptimierungen werden Platten im Labormaßstab hergestellt und deren industrielle Verarbeitung getestet. Der Einsatz von Recyclinggips und Porenbeton-Brechsand minimiert den Gipsanteil und maximiert die Ressourceneffizienz, wodurch innovative Bauplatten mit nachhaltigem Potenzial entstehen.
Das Forschungsprojekt der Technischen Universität Ilmenau erforscht die additive Fertigung von Aluminiumstrukturen für den Leichtbau im Bauwesen. Mit dem DED-Arc-Verfahren werden topologieoptimierte Verbindungselemente entwickelt, die durch Materialeinsparung und hohe mechanische Leistungsfähigkeit überzeugen. Ein optimierter AluTruss-Knoten zeigt deutliche Verbesserungen in Gewicht, Steifigkeit und Tragfähigkeit. Die Ergebnisse unterstreichen das Potenzial additiver Technologien für ressourceneffiziente und belastbare Baulösungen.
Das Forschungsprojekt entwickelt innovative Membranfassadensysteme, die durch ihr geringes Gewicht, hohe Belastbarkeit und vollständige Recycelbarkeit eine ressourceneffiziente Alternative zu herkömmlichen Fassaden bieten. Mit mehrschichtigen, individuell funktionalisierten Modulen werden opake, transluzente und transparente Hülllösungen realisiert, die Wärme-, Feuchte-, Brand- und Schallschutz sowie aktive Sensorik- und Aktorikkomponenten integrieren. Ein modulares Aluminium-Rahmensystem ermöglicht den flexiblen Einsatz der textilen Fassaden, deren Praxistauglichkeit an einem Versuchsgebäude unter realen Bedingungen getestet und langfristig überwacht wird.