Politische Versprechen mit Fragezeichen: Der neue Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD verspricht viel – lässt jedoch viele Fragen offen. Für die Bau- und Planungsbranche ist es ein Vertrag mit Stärken – und einigen Stolpersteinen.
Der „Wohnbau-Turbo“ soll beschleunigt, Normen sollen entwirrt, Förderprogramme vereinfacht werden. Der Gebäudetyp E wird gesetzlich verankert, die CO₂-Reduktion zur neuen Leitgröße erklärt. Zudem bleibt das Bauministerium erhalten, das als Anlaufstelle für Bau- und Planungsfragen Signalwirkung für eine koordinierte Baupolitik hat. Das alles klingt zunächst nach einem überfälligen Aufbruch. Doch wie viel Aufbruch steckt wirklich dahinter?
Die Stimmen der Verbände und Kammern sind gemischt: Der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes spricht von einem „wichtigen Signal“, mahnt aber eine konsequente Umsetzung an. Die Bundesarchitektenkammer begrüßt die Entlastung kleiner Planungsbüros, sieht aber zentrale Zukunftsaufgaben wie Klimaanpassung und Baukultur nicht ausreichend adressiert. Und der Bund Deutscher Baumeister erkennt gute Ansätze, kritisiert aber, dass die HOAI - ein Kernanliegen der planenden Berufe - erneut keine Erwähnung findet.
Tatsächlich bleibt der Vertrag in entscheidenden Punkten unkonkret. Die Rücknahme des so genannten Heizungsgesetzes wirft Fragen nach der Planbarkeit und Ernsthaftigkeit klimapolitischer Ziele im Gebäudebereich auf. Die Fokussierung auf CO₂ als Steuerungsgröße ist zwar richtig - ohne verbindliche Instrumente wie Lebenszyklusanalysen, Grenzwerte oder Förderkriterien verkommt sie jedoch schnell zum Placebo. Auch die Einführung des Gebäudetyps E und damit die plakative Vereinfachung technischer Regeln kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass zwar der Wunsch besteht, eine Abweichung von den anerkannten Regeln der Technik nicht mehr automatisch als Mangel anzusehen, sofern die Sicherheit und Gebrauchstauglichkeit eines Bauwerks gewährleistet ist, die Ausgestaltung des Mangelbegriffs aber noch nicht definiert ist.
Serielles, modulares und systemisches Bauen wird weiterhin als Hebel zur Beschleunigung und als Potenzial für kostengünstiges Bauen genannt, aber auch kritisch gesehen, da baukulturelle Aspekte und Maßnahmen zur Qualitätssicherung fehlen. Als weiteres Maßnahmenbündel zur Stärkung der Bauwirtschaft bzw. zur Ankurbelung der Neubautätigkeit soll das Baugesetzbuch (BauGB) in zwei Schritten novelliert werden. In den ersten 100 Tagen soll es einen Gesetzentwurf für einen „Wohnungsbau-Turbo“ geben, danach eine grundlegende Reform zur Beschleunigung des Bauens. Kritik kommt hier von der Bundesarchitektenkammer, die in der Einführung eines § 246e BauGB einen Widerspruch zur gemeinwohlorientierten Stadtentwicklung sieht.
Ein weiteres Beispiel für widersprüchliche Signale ist die Verlängerung der Mietpreisbremse. Während sie von den einen als Maßnahme zur sozialen Entlastung begrüßt wird, sehen Bauwirtschaft und Eigentümerverbände darin ein Investitionshemmnis. Der eigentliche Hebel, so der Tenor vieler Experten, liege im Neubau und nicht im Herumdoktern an Symptomen. Immerhin wurde aus vergangenen Fehlern gelernt. Bei den zahlreichen Maßnahmen zur Förderung des Wohnungsbaus wurde auf konkrete Zielzahlen für neue Wohnungen verzichtet.
Es bleibt der Eindruck: Die neue Regierung erkennt die Probleme – aber sie vertagt die Lösungen. Zwischen Bauministerium und Sondervermögen, Förderstruktur und GEG-Novelle fehlt oft der entscheidende Mut zur politischen Klarheit. Dabei brauchen wir gerade jetzt einen verlässlichen Ordnungsrahmen, der Innovationen und Investitionen ermöglicht – und das nicht auf Kosten ökologischer oder architektonischer Qualität. Die Bau- und Planungswirtschaft steht bereit. Ihre Verbände haben sich klar positioniert, ihre Kritik ist differenziert und konstruktiv. Nun ist es an der Politik, aus wohlklingenden Absichtserklärungen konkrete und wirksame Maßnahmen zu machen. Denn eines ist sicher: Echter Aufbruch entsteht nicht durch Reden – sondern durch Machen.