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Gebäude umnutzen: vom Parkhaus zum Wohnraum?

Auch mit der notwendigen Mobilitätswende werden Parkhäuser an bestimmten Standorten weiterhin ihre Berechtigung haben, so beispielsweise an Bahnhöfen als Mobility Hubs.

Neue Funktionen und Dienstleistungen wie die Integration verschiedener Mobilitätsangebote wie Carsharing, E-Bike-Verleih und Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge, aber auch die Erweiterung der Parkflächen um ergänzende Dienstleistungen wie Fahrradwerkstätten, Paketstationen oder auch Einzelhandelsgeschäfte treiben den Wandel voran.

Darüber hinaus ist auch die Gebäudeumnutzung des heutigen Parkhauses denkbar, um den sich wandelnden Bedürfnissen der Stadt gerecht zu werden.

Im Otto-Quartier in Wendlingen ist in Bahnhofsnähe so ein zukunftsweisendes Parkhaus entstanden:

Mit 349 Stellplätzen auf 5 Ebenen übernimmt es eine wichtige Funktion im Verkehrskonzept der Stadt Wendlingen. Das Projekt geht aber noch einen Schritt weiter: Wenn die Nutzung als Parkhaus nicht mehr benötigt wird, kann das Bauwerk dank der im Vorfeld durchdachten Geometrie, Raumhöhen und konstruktiven Schnittstellen einfach in Wohn- oder Arbeitsräume umgewandelt werden.

Wie das geht? Anstelle einer üblichen Stahl- oder Betonkonstruktion entwarfen herrmann+bosch architekten eine zukunftsweisende Konstruktion, die überwiegend aus Brettsperrholzdecken und Brettschichtholzstützen besteht. Lediglich die Rampendecken und Treppenhäuser sind aus statischen und brandschutztechnischen Gründen in Beton ausgeführt. Die Decken erhalten einen dauerhaften Belag aus Gussasphalt. Auffallend ist die ovale Form des Parkhauses, die sich aus der begrenzten Grundstücksfläche ergibt. Doch das vermeintliche Manko ist hier eine Chance, denn aus statischen Gründen sind die bis zu 16 Meter langen und zweieinhalb Tonnen schweren Deckenträger sternförmig angeordnet und ermöglichen so stützenfreie Stellplätze, die eine hohe Flächeneffizienz und individuelle Anpassungen der Stellplatzbreiten ermöglichen.

Der Bau des Parkhauses gestaltet sich einfach, da alle Holzbauelemente vorgefertigt auf die Baustelle geliefert und dort mit einfachen Stecksystemen zusammengefügt werden. Eine kurze Bauzeit und damit eine hohe Wirtschaftlichkeit sind garantiert. Um der Kreislauffähigkeit des Gebäudes Rechnung zu tragen, werden keine Verbundwerkstoffe verwendet und nahezu alle Verbindungen verschraubt oder gesteckt. Dies gewährleistet einen einfachen Rückbau, eine sortenreine Trennung und damit die Wiederverwendbarkeit der Materialien. Durch die Leichtbauweise und den minimalen Einsatz von Stahl und Beton können außerdem große Mengen CO2-Emissionen eingespart werden.

© Roland Halbe
© Roland Halbe
© Roland Halbe
© herrmann + bosch architekten
© herrmann+bosch architekten

Je nachdem, wie sich die Bedürfnisse in der Stadt ändern, kann das Gebäude demontiert oder an veränderte Anforderungen angepasst werden.

Statt der üblichen lichten Raumhöhe von 2,10 m im Parkhaus sind die Geschosshöhen mit einer lichten Höhe von 2,35 m und zwischen den Unterzügen mit einer Höhe von 3,40 m ausgeführt. Höhe und Stützenfreiheit ermöglichen somit einen einfachen Umbau des Parkhauses in eine Wohn- und Arbeitsumgebung. Dort, wo heute die Fahrrampen angeordnet sind, kann zugunsten der Qualität ein Rückbau zu einem natürlich belichteten Innenhof erfolgen.

Die Dach- und Fassadenbegrünung folgt dem zukunftsweisenden Leitbild der „Schwammstadt“, das als Planungsgrundlage für das gesamte Stadtentwicklungsprojekt „OTTO-Quartier“ dient. Das komplexe Konzept aus verschiedenen abflussvermeidenden Maßnahmen wirkt sich positiv auf die vorhandene Vegetation aus, bietet einen verbesserten Hochwasserschutz und beeinflusst spürbar das Mikroklima vor Ort.

  • Architektur: herrmann+bosch architekten
  • Bauherr: Stadt Wendlingen
  • Fertigstellung: 2024

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