Wenn wir wiederverwendbare Bauteile aus der klassischen Immobilienfinanzierung herauslösen und sie unabhängig vom Gebäude finanzieren, können wir zukünftig viel günstigere Mietmodelle anbieten – für den Wohnungsbau, aber auch andere Gebäudetypologien.
Das Bausystem BetaPort ist keine Modulbauweise, sondern ein elementiertes Bausystem aus reversiblen Elementen. Speziell entwickelte Knotenpunkte verbinden Träger und Stützen in einem biegesteifen Rahmensystem mit einem Raster von 5,40 x 5,40 Metern. Das so entstehende Skelett kann im Sinne eines Baukastens mit unterschiedlichen Elementen gefüllt werden – je nach Nutzung offen, geschlossen, als kleine Einheit oder komplexe Struktur, vom Material bis zur TGA. So entstehen Raumsysteme, die skalierbar und anpassungsfähig sind und im Bestand mit ihren Nutzern wachsen und schrumpfen können. Und noch interessanter: Als Mietmodell, getreu dem Motto Building-as-a-Service, können die einzelnen Elemente bis zu zehn Mal in den Kreislauf zurückgeführt werden.
Zeit mit Anke Parson von urban beta über die Zukunft des Bauens und der neuen Geschäftsmodelle zu sprechen.
Anke Parson: Einerseits nutzt unsere digitale Produktionskette die Potenziale des Holzbaus durch KI-gestützte Planungstools und ein Industrie 4.0-Produktionsansatz, der vorausschauende Planung und Vorfertigung mit intelligenter Materialverarbeitung verbindet. Doch wir gehen noch einen Schritt weiter mit unserem Ansatz des Design for Disassembly. Jedes Wand-, Boden- und Deckenelement wird sortenrein trennbar auf mehrere Lebenszyklen ausgelegt. Dazu braucht es geprüfte Materialpartnerschaften zur Sicherung einer hohen Qualität, aber auch digitale Infrastruktur, um eine lückenlose Rückverfolgbarkeit der in den Bauteilen verwendeten Materialien zu garantieren, aber auch um ökologische Standards und gesetzliche Vorgaben einzuhalten. Mit dem Tracking über RFID-Chips entsteht ein Bauteil-Ökosystem, das über die angeschlossene Datenbank detaillierte Informationen über Konstruktion und Materialeinsatz der Bauteile bis hin zu Einsatzort und Wartungszyklen liefert. Denn am Ende geht es um die Wertschöpfung in den einzelnen Bauteilen.
Anke Parson: Theoretisch und praktisch sind wir materialoffen in unseren Partnerschaften, die wir hinsichtlich des Ausbaus eingehen. Die wichtigste Anforderung ist allerdings, dass wir nur mit Partnern arbeiten, die mit uns die Kreisläufe geschlossen bekommen, d.h. wir sprechen von sortenreinen Konstruktionen, Wiederaufbereitung und Rücknahmesystemen für die eigenen Produkte am Ende des Lebenszyklus. Das fängt beim Fußbodenbelag an und geht bis zu Plug & Play-Steckern für Leuchten und Heizsystemen, die entnommen aus dem einen Gebäude im nächsten wieder installiert werden.
Die einzige Unflexibilität, die wir haben, ist das Raster. Das unterscheidet uns von der Industrie, die mit ihren robotischen Anlagen die individuelle Fertigung propagiert. Aber muss das wirklich immer sein? Wenn jedes Modul ein eigenes Fenstermaß hat, scheitert die Idee der zigfachen Wiederverwendung durch zu individualisierte Bauteile, die nur für einen Ort gemacht wurden.
Anke Parson: Es reicht nicht aus, wenn wir an den Wiedereinsatz unserer Bauteile glauben, es muss eine andere Diskussion um den Wert von Ressourcen geben. Im Moment sind Gebäudefinanzierungen an ein Bauwerk, das mit dem Boden verbunden ist, gekoppelt und über eine Laufzeit von zwanzig Jahren abgeschrieben sind. Faktisch ist das Material nach der Abschreibung heute Abfall. In Zeiten von Ressourcenknappheit eine totale Verschwendung. Schaut man die Preissteigerungen von bestimmten Materialien und Rohstoffen an, wäre über den Finanzierungszeitraum sogar eine Wertsteigerung = Rendite drinnen. Was es für uns als BetaPort komplex macht ist die Tatsache, dass wir kein Gebäude finanzieren müssen, sondern einen Haufen lose Bauteile. Das können wir heute schon über Gebäuderessourcenpässe abbilden und erste Banken mit Nachhaltigkeitsschwerpunkt erkennen den Materialwert als Gegenwert in der Finanzierung an. Schon heute besteht unser System zu über 50% aus wiederverwendbaren Bauteilen, perspektivisch gehen wir in den nächsten 48 Monaten auf 70-80%. Bedeutet, dass der Wert über einen längeren Zeitraum als die Abschreibung erhalten bleiben kann. Und damit wird das zirkuläre Bauen auch aus ökonomischer Sicht interessant.
Natürlich kostet ein Bauteil, dass mit hoher Qualität auf bis zu zehnfacher Wiederverwendung angelegt ist, mehr als ein Standard-Modul, aber durch den Werterhalt entsteht ein echter Impact. Und der hat nicht nur Auswirkungen auf die Mieter des Bausystems, sondern auch auf die Nutzer, deren Miete signifikant gesenkt werden kann und die sich zudem in gesunden Räumen aufhalten. Auch hier gibt es unterschiedliche Möglichkeiten – entweder über Investoren, die in Bauteile als Assetklasse investieren, oder über die Industriepartner, die an der Wertschöpfung beteiligt sind. Als nächstes kommt die EU-Taxonomie – damit werden die nächsten Jahre in jedem Fall spannend.
Anke Parson ist eine der Mitbegründerinnen von urban beta. Urban Beta erstellt skalierbare Architektursysteme On-Demand mit einem starken Fokus auf soziale Inklusion, erneuerbare Energien und Kreislaufwirtschaftsmodelle.