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Vom Generalübernehmer zum Mehrparteienvertrag: der Luisenblock West und das Bürogebäude für Bundesbehörden

Ein Hebel, um nachhaltiges Bauen in die Breite zu tragen, ist die Vorbildfunktion des Bundes. Mit dem Luisenblock West entstand nach einem Entwurf von sauerbruch hutton und entwickelt von Primus Developments mit Kaufmann Bausysteme in partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) für den Deutschen Bundestag in nur 20 Monaten Bauzeit ein Gebäude in Holzmodulbauweise, das sowohl in seiner Architektursprache als auch in seinem Anspruch an Nachhaltigkeit im Regierungsviertel einzigartig ist.

Der Luisenblock West ist in mehrfacher Hinsicht wegweisend für das Bauen der Zukunft. Zum einen durch die Nutzung der Potenziale modularer Vorfertigung, zum anderen durch eine andere Art der Zusammenarbeit, der Abläufe und Prozesse, aber auch der Denkweise. Nach erfolgreicher Pilotierung entsteht bis Ende 2025 auf dem Grundstück Elisabeth-Abegg-Straße Ecke Alt-Moabit in Berlin-Mitte ein neues Bürogebäude für Bundesbehörden. Der Neubau dient zunächst als Ausweichliegenschaft für den Bundespräsidenten und das Bundespräsidialamt während der geplanten Baumaßnahmen am Schloss Bellevue und am Verwaltungsgebäude des Bundespräsidialamtes.

In dem Vergabeverfahren wurden die Arbeitsgemeinschaft Planung (ARGE) aus den Büros sauerbruch hutton und Drees & Sommer SE sowie als Bauunternehmer die Kaufmann Bausysteme GmbH mit dem Nachunternehmer Primus Developments GmbH ausgewählt. Mit diesen Partnern hat der Bund im April 2022 im IPA-Modell einen Mehrparteienvertrag unterzeichnet. In diesem Modell werden individuelle Ziele mit dem gemeinsamem Projektziel in Einklang gebracht und gemeinsam Verantwortung übernommen.

Wie die IPA (Integrierte Projektabwicklung) mit Mehrparteienvertrag für das Projekt funktioniert und wo die Hürden und Chancen liegen, erläutern Sibylle Bornefeld, sauerbruch hutton, Franziska Polleter, DREES & SOMMER SE, und Gernot Hickethier, Yukon Projects GmbH, die das Team als IPA-Projektmanager unterstützen.

© Jan Bitter
Bürogebäude Luisenblock West
© Jan Bitter
Bürogebäude Luisenblock West
© Jan Bitter
Bürogebäude Luisenblock West

Was unterscheidet bzw. verbindet den Luisenblock West und das Bürogebäude für Bundesbehörden?

Sibylle Bornefeld: Der Luisenblock West wurde als Generalübernehmer-Ausschreibung mit vorgeschaltetem architektonischem Teilnahmewettbewerb zur Qualitätssicherung durchgeführt. Als Planungsbüros waren wir als Subunternehmer von Kaufmann Bausysteme tätig. Für das Bürogebäude für Bundesbehörden ist die ARGE Sauerbruch Hutton Gesellschaft von Architekten mbH und Drees & Sommer SE als Generalplaner tätig, mit ca. 20 Subunternehmern im Nachauftrag als gleichberechtigter Partner des GU. Neben der Komplexität des Bauvorhabens ist auch die Koordinationsleistung sehr hoch.

Der große Unterschied liegt klar in der Komplexität. Während der Luisenblock West ein klar definiertes Raumprogramm aus Büro- und Konferenzflächen hatte, ist dieses im Bürogebäude für Bundesbehörden, das in der ersten Nutzungsphase als Ersatzbau für das Bundespräsidialamt dient, wesentlich umfassender. Neben den klassischen Büroflächen gibt es viele repräsentative Flächen, Veranstaltungsräume, in denen auch Konzerte stattfinden können, und ein gastronomisches Flächenangebot. Zudem sind die Sicherungsmaßnahmen wesentlich höher im Vergleich zum Luisenblock. Über einem massiven Sockel erstreckt sich die Modulbauweise vom ersten bis zum fünften Obergeschoss, wobei das Dachgeschoss mit seiner Sondernutzung und Teile des Servicegebäudes als Ingenieurholzbau konzipiert ist. Eine weitere Besonderheit ist, dass bereits bei der Planung für die Erstnutzung die Flexibilität für zukünftige Nutzungen berücksichtigt werden muss. Gemeinsam ist beiden Projekten der äußerst anspruchsvolle Zeitplan.

Beim Bürogebäude für Bundesbehörden kommt die Integrierte Projektabwicklung (IPA) mit Mehrparteienvertrag zum Einsatz. Diese neue Form der Zusammenarbeit unterscheidet sich grundlegend von den linearen Vertragsmodellen, – ein Vorteil?

Gernot Hickethier: IPA ist eine wichtige Ergänzung im Werkzeugkasten der Projektabwicklungsmodelle. Es ist mit Sicherheit nicht das richtige Modell für jedes Projekt, aber gerade bei sehr komplexen Projekten geeignet. Denn IPA antwortet auf Komplexität mit partnerschaftlicher Zusammenarbeit im Team. Mit dem GÜ-Modell beim Luisenblock West ist das BBR bereits einen Schritt in die partnerschaftliche Richtung gegangen, der IPA-Ansatz, bei dem die maßgeblichen Projektbeteiligten von Anfang an gemeinsam an einer möglichst effektiven Projektrealisierung arbeiten, ist der nächste Schritt. Der Mehrparteienvertrag bildet dabei den Rahmen, um ein partnerschaftliches, lösungsorientiertes Handeln mit einer Kommunikation auf Augenhöhe zu fördern. Derzeit werden in Deutschland ca. 35 IPA-Projekte umgesetzt, davon 2/3 durch die öffentliche Hand, die hier sicherlich ihrer Vorbildfunktion gerecht wird.

Das bedeutet aber auch ein anderes Mindset der Partner für den gemeinsamen Projekterfolg, oder?

Sibylle Bornefeld: Das Mindset ist ein Balanceakt, bei dem alle nach dem Motto „best for project“ an einem Strang ziehen müssen. Das ist nicht konfliktfrei, aber Teil des Prozesses. Für ein IPA-Modell müssen die Beteiligten im Vorfeld oft auch ein Assessment Center durchlaufen, um beispielsweise zu zeigen, wie kommunikationsfähig, konfliktfähig oder lösungsorientiert sie handeln.

Franziska Polleter: Entscheidend für die Durchführung der IPA ist das Projektteam. Vor der Beauftragung der Unterauftragnehmer wurde in den Bietergesprächen neben den Angeboten auch die IPA-Fähigkeit bewertet, da ein gemeinsames Verständnis und das Commitment für eine partnerschaftliche Zusammenarbeit wichtige Bestandteile sind. Die IPA-Rahmenbedingungen wurden auch in die Subunternehmerverträge aufgenommen und es fanden On-Boarding und Kick-Off-Veranstaltungen statt. Ein wichtiger Hebel ist auch die gemeinsame Co-Location, in der das Projektteam zusammen arbeitet – was einen großen Mehrwert für die Qualität der Kommunikation, Flexibilität und Schnelligkeit, aber auch das gegenseitige Verständnis ermöglicht.

Gernot Hickethier: Wichtig ist, dass das Team in eine kooperative Projektkultur hineinwächst, und das hat dieses Team sehr schnell geschafft. Mit der Architektur und der TGA sind die wichtigsten Planungsgewerke als Kernzelle vertreten. Und durch die frühe Einbindung von Kaufmann und Primus konnte das Team integriert mit deren Ausführungswissen- und -erfahrung die Planung angehen. Inwieweit die einzelnen Fachplaner ebenfalls in einen Mehrparteienvertrag mit reingenommen werden, hängt von der Konstellation und den Leistungspaketen ab. Was man aber sagen kann, ist, dass die Co-Location gut angenommen wird und die Projektbeteiligten die kollaborativen Werkzeuge des Projektmanagements und Lean-Management-Methoden nutzen.

Was sind die größten Vorteile, die Sie für die Verbreitung des IPA-Modells sehen?

Sibylle Bornefeld: Aus der Architektenschaft wird immer wieder Kritik am IPA-Modell geäußert. Häufig wird die Befürchtung geäußert, dass durch die Aufhebung der Trennung von Planen und Bauen aus Effizienzgründen rationalisiert wird. Meines Erachtens ist das Gegenteil der Fall, denn die Projektziele werden ja gemeinsam formuliert. Aus planerischer Sicht bekommt die Architektur bzw. die Baukultur im IPA-Modell eine gewichtigere Stimme als in anderen Konstellationen. Denn ich kann meine Agenda mit meinen Partnern abstimmen - wo sonst ist das in der klassischen Projektabwicklung noch der Fall?

Gernot Hickethier: Zwei Punkte: Erstens der vertragliche Anreiz für die partnerschaftliche Zusammenarbeit im Team, denn dieser sorgt für stabilere Ergebnisse im Projekt. In IPA sitzen alle in einem Boot, es ermöglicht mehr Offenheit und Transparenz zwischen den Partnern, was bei Vorausschau und dem Erkennen von Risiken hilft. Und zweitens hilft die frühe Einbindung der Ausführenden mit deren Wissen und Erfahrung unnötige Schleifen im Projekt zu vermeiden.

© sauerbruch hutton
Bürogebäude für Bundesbehörden: Neubau in der Elisabeth-Abegg-Straße
© sauerbruch hutton
Bürogebäude für Bundesbehörden: Neubau in der Elisabeth-Abegg-Straße
© sauerbruch hutton
Bürogebäude für Bundesbehörden: Neubau in der Elisabeth-Abegg-Straße

Bautafel / Projektdaten

  • Nutzer: Bundespräsidialamt (Zwischenunterbringung), Bundesbehörden (dauerhafte Folgenutzung)
  • Bauherrin: Bundesanstalt für Immobilienaufgaben
  • Architektur: Gesamtplanung: ARGE Sauerbruch Hutton Gesellschaft von Architekten mbH und Drees & Sommer SE
  • Bau-Auftragnehmer: Kaufmann Bausysteme GmbH mit Primus Developments GmbH
  • Projektleitung: Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, Referat BB II 5
  • IPA-Projektmanagement: Yukon Projects GmbH
  • Gesamtkosten: rund 205 Millionen Euro
  • Baubeginn: April 2023
  • Fertigstellung: 2025
  • Brutto-Grundfläche: rund 18.700 Quadratmeter
  • Nutzungsfläche: rund 9.900 Quadratmeter
  • Grundstücksfläche: rund 4.000 Quadratmeter

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